Stabilitätskriterien einer seegehenden Yacht

Michael Beringhoff anhand folgender Quellen: wavetrain.net; boatdesign.net; rorc.org; sailing.org; Schwerwettersegeln DK Verlag und andere Erfahrungen. Juli 2015

Grundsätzlich wird bei Yachten zwischen der Gewichts- und Formstabilität unterschieden.
Ein Katamaran ist mit seinen beiden Rümpfen auf die Formstabilität ausgelegt. Einrumpfboote erhalten im wesentlichen ihre Stabilität durch Gewichte, die in Form von Kielen unter dem Schiffsrumpf angebracht sind.

Ziel beider Bauformen ist es, das Boot vor dem Kentern, dem umkippen, zu schützen.

In der Realität und bei seegehenden Yachten mit einem Rumpf spielen sowohl Form des Rumpfes als auch Art und Gewicht des Kiels die entscheidenden Kriterien bei der Stabilität der Yacht.
Es ist schon erstaunlich, dass erst in den späten 1980iger Jahren diese Thema systematisiert und standardisiert wurde. Offensichtlich war der Auslöser der Bau von Offshore-Regattayachten, die zunehmend kenterten.

Erst im Januar 2009 wurden Kriterien für Sicherheits- und Stabilitätsfaktoren (Safety and Stability Indices, SSI) festgelegt.
Grund genug, sich damit und dem Kentern zu beschäftigen und MiTa unter diesen Gesichtspunkten einmal näher zu betrachten.


Safety and Stability

Ein Basiswert (Safety and Stability Screening numeral SSS) betrachtet den Rumpf, das Rigg und Ausrüstungsgegenstände in einem Wert.
Folgende Werte sind dabei festgelegt worden:

Minimum SSS Base Value - Typischer Kurs
10 - Tagesregatta auf Zeit
15 - Küstenregatta
28 - Hochseeregatta 250 - 600 Seemeilen
35 - 1000 Seemeilen bei allen Wetterlagen

Da MiTA keine Rennziege ist und auch nicht werden wird, sondern für die Reise ausgerüstet und bepackt werden wird, können wir diesen Wert eigentlich vernachlässigen. Im Abgleich mit der europäischen CE Kategorie A (Hochseezulassung mit 4 Personen) liegt er bei minimum 32. Zumindest schafft diese Zahl vertrauen.

Ein anderer Wert betrachtet ausschließlich die Stabilität.
STIX-Stability Index. Je höher desto seefester.
Verleichen wir mal. Bekanntermassen sind Southerly Yachten als besonders seefest anerkannt.
Southerly 110: STIX 55
MiTA: STIX 35
Oceanis 44 CC: STIX 34

Erkenntnis: Ums Kap Horn muss MiTA nicht unbedingt. Da hat die Southerly klare Stabilitätsvorteile. Interessant: Größe bedeutet nicht unbedingt höhere Seefestigkeit. MiTA ist nicht minder seefest als ihre 2,5 Meter längere und 70 Zentimeter breitere, große Schwester.

Kommen wir zum Komfort. Motion Comfort Ratio MCR
Vom Bootsdesigner Ted Brewer entwickelte Formel "MCR = Disp / (2/3 * ((7/10 * LWL) + (1/3 * LOA)) * Beam 4/3)" beschreibt das Komfortverhalten einer Yacht in Wellen und Dünung. Höhere Werte versprechen weniger schnelle Bewegungen und damit mehr Komfort.
Jeneau Sun Odyssey 36.2 - 20.33
MiTA - 23.61
Hallberg - Rassy 36 - 29.49

Erkenntnis: Mittelklasse. Andereseits darf man einen BMW auch nicht mit einem VW vergeichen.

Zwischenfazit: Weder eine starke Böe noch etwas einseitige Beladung werden MiTA und die Crew aus der Ruhe bringen. Und der Komfort hängt auch ein bischen von der gesetzten Segelfläche und dem eingeschlagenen Kurswinkel zu den Wellen an.



Kentern

Aber was bringt dann eine Yacht zum Kentern? Kenterungen kommen einzig und allein durch brechende Wellen zustande! Wenn sonst nichts falsch gemacht wurde.

Und das sieht dann so aus:

Wird eine Yacht seitlich von einer hinreichend großen Welle erfasst, liegt es an der außergewöhnlichen Steilheit und dem Aufprall des jetähnlichen Sturzbaches der brechenden Welle, dass der Mast bis aufs Wasser gedrückt wird. An diesem Punkt entscheidet die positive Stabilität der Yacht über ihr weiteres Schicksal. Entweder richtet sie sich wieder auf, oder sie setzt die Drehung bis zum Kopfstand fort, wo sie dann eventuell für einige Augenblicke verharrt, bis die nächste Welle ihr einen Schlag versetzt und sie wieder auf die Beine stellt.

MiTA hat mit ihrem hohen Freibord, dem Mittelcockpit und dem hohen Kajütaufbau physikalisch gute Aufrichtkriterien. Trotzdem:

Faustformel: quer auftreffende brechende Wellenhöhe = 30% der Rumpflänge bedeutet KENTERUNG! Für MiTA: 3 Meter.

Daraus folgt: Gebiete mit brechende Wellen meiden. Wenn nicht zu vermeiden, aktiv aussegeln, notfalls surfen; aber nicht querschlagen.

Kentern ist nicht das Ende der Seereise. Gut vorbereitet ist es die Überlebenschance auf See. Dazu muss man vorbereitet sein: Alles "kenterfest" verstaut, damit nichts herumfliegt. Werkzeug zum Rigg bergen nach Kenterung bereithalten. Lenzen, Schäden feststellen, Tief durchatmen. Strategie der Weiterfahrt entwickeln.